Urlauber aus anderen Ländern schauen immer wieder mal vorbei, für ein paar Stunden. Aber dass eine 22-köpfige Gruppe aus Deutschland kommt und fast zwei Wochen bleibt, ist doch etwas Außergewöhnliches für die Grundschule ǂNabasib. Und nein: Nicht zum Urlaubmachen, sondern zum Arbeiten…
Großes Hallo Ende August in der ǂNabasib Primary School etwa 15 km östlich von BüllsPort Lodge & Farm im südlichen Zentrum Namibias. 18 Oberstufen-Schülerinnen und -Schüler steigen aus dem Bus, begleitet von zwei Lehrerinnen und zwei männlichen Aufsichtspersonen. Sie gehören zur ‚Weltweit mit Her(t)z‘-AG der Heinrich Hertz Schule aus Hamburg. Die sich zum Ziel gesetzt hat, dass Schüler von der deutschen Entwicklungszusammenarbeit nicht nur im Unterricht erfahren. Sondern sie selbst praktizieren – daheim und vor Ort.
Ein Jahr der Vorbereitung
Der Schwerpunkt der Arbeit liegt daheim. „Vor einem Jahr haben wir mit der Planung begonnen“, erklären Yagmur Celik und Isa-Marie Brandt, die die Leitung der AG zu jenem Zeitpunkt übernommen haben. „Unsere erste Frage war: Was wird vor Ort von der Schule gebraucht?“
Die Antworten lieferte Ernst Sauber von BüllsPort, nachdem er mit der Schulleitung von ǂNabasib gesprochen hatte: Frischer Anstrich für Gebäude und Klassenzimmer, zusätzliche Wasserleitungen und einen Gemüsegarten mit Schattendach für die Schulküche.
BüllsPort unterstützt die Regierungsschule seit Jahrzehnten – und seit 2005 durch die eigens dafür gegründete Naukluft Foundation. Sie finanziert auch den Einsatz von Carsten Sodmann vom nahe gelegenen Capricorn Restcamp, der rasch zur Stelle ist, wenn etwas repariert werden muss. Die Schule kann jede Hilfe gebrauchen. Denn obwohl die Regierung dem Bildungsressort stets den größten Anteil am Haushalt widmet, reichen die staatlichen Mittel pro Schule nur für das Allernötigste.
Schul-AG aus Hamburg kommt bereits zum fünften Mal
Der Kontakt von BüllsPort zur ‚Weltweit mit Her(t)z‘-AG besteht seit ihrer Gründung im Jahr 2000 durch den Lehrer Wolfgang Thiel. Denn er hatte Namibia bereits in den 1990er Jahren bereist und war auch auf BüllsPort zu Gast gewesen. 2008 kam Thiel mit der AG zum ersten Mal nach ǂNabasib. Es folgten drei weitere Besuche – 2013, 2015 und 2018. Der fünfte Aufenthalt, geplant für Juli 2020, musste wegen Corona verschoben werden und kam erst jetzt, drei Jahre später zustande.

Zufrieden mit dem frischen Anstrich eines der Gebäude der ǂNabasib Primary School nahe BüllsPort: Mitglieder der ‚Weltweit mit Her(t)z‘-AG der Heinrich Hertz Schule aus Hamburg mit ihrem Gründer Wolfgang Thiel (rechts). Die veraltete Schreibweise der Schule wurde so gelassen wie sie war. Foto: ‚Weltweit mit Her(t)z‘-AG
Wolfgang Thiel ist zwar längst pensioniert, ließ es sich aber nicht nehmen, nochmals mitzureisen. Mit dabei war auch sein Enkel Leo Jaspersen, der 2015 als Schüler und Mitglied der AG bereits in ǂNabasib war. Mittlerweile studiert er, ist dem Weltweit-Projekt jedoch wie sein Großvater weiterhin mit Herz und Seele verbunden.
So war es für die beiden auch gar keine Frage, die Reisekosten von 1.200 Euro pro Person zu zahlen (zurzeit rund 24.000 N$; aktueller Wert); 1 Rand = 1 N$). Für viele der 18 Schülerinnen und Schüler bedeutete dieser Beitrag, auf den Führerschein oder andere Pläne vorerst zu verzichten. Die beiden Lehrerinnen Celik und Brandt bekommen den Betrag zwar erstattet. Doch sie investieren in die AG monatlich rund 16 Stunden, zusätzlich zu ihrem Lehrpensum, ohne Vergütung.
Unterstützung aus allen Richtungen
Doch zurück zur Vorbereitung der Namibia-Reise. Von Ernst Sauber kam die Frage, wie man die Zahl der Kopien für den Unterricht reduzieren könnte. Mit Laptop und Beamer, war die Antwort von Celik und Brandt. Die Heinrich Hertz Schule stellte daraufhin acht Laptops und drei Beamer zur Verfügung, die durch neue Geräte ersetzt worden waren, aber noch fehlerfrei funktionierten. Der IT-Beauftragte der Schule, Jens Corniels, sah die Laptops durch und installierte die nötige Software.
Für die Renovierung der Schulgebäude und Klassenzimmer, die Wasserleitungen und das Schattendach wurde Material benötigt. Die Norddeutsche Stiftung für Umwelt und Entwicklung (NUE) stellte auf Antrag von Celik und Brandt 5.300 Euro (rund 106.000 N$; aktueller Wert) bereit. Die AG sammelte mit fast monatlichen Catering- und Spendenaktionen 4.900 Euro (knapp 98.000 N$; aktueller Wert).

‚Weltweit mit Her(t)z‘-AG der Heinrich Hertz Schule aus Hamburg im Einsatz beim Renovieren der ǂNabasib Primary School nahe BüllsPort. Foto: ‚Weltweit mit Her(t)z‘-AG
Die Koordinierung vor Ort und die Beschaffung der Materialien übernahm Ernst Sauber von der Naukluft Foundation. Für den Bus-Transport der 22-köpfigen Gruppe gewann er das Reise-Unternehmen Gondwana Collection Namibia. Den Bus stellte deren Tochterfirma Go2 Traveller Transfers, die Kosten trug der Gondwana Care Trust.
Die ‚Weltweit mit Her(t)z‘-AG befasste sich auch mit dem Kontext ihres Projektes in Namibia. Dazu zählten Referate zur deutschen Kolonialzeit von 1884 bis 1915 und zum heutigen Verhältnis zwischen Deutschland und Namibia. Vor dem Hintergrund der ‚Black Lives Matter‘-Bewegung befasste sich die AG auch mit Aspekten wie ‚White Saviourism‘ (problematischer Drang Europäischstimmiger, Farbigen zu helfen) oder ‚Cultural Appropriation‘ (kulturelle Aneignung).
Zehn Tage lang harte Arbeit
Nach einem Jahr Vorbereitung sind Yagmur Celik, Isa-Marie Brandt, Leo Jaspersen und AG-Gründer Wolfgang Thiel mit 18 Schülerinnen und Schülern schließlich vor Ort. In zehn Tagen streichen sie zwei Schulgebäude und ein Toilettenhaus sowie sechs Klassenräume. Für einen 9 x 12 m großen Obst- und Gemüsegarten errichten sie einen Zaun und ein Schattendach.
Besonders kräftezehrend gestaltet sich das Verlegen zusätzlicher Wasserleitungen, um die Wasserversorgung zu verbessern. Schweißtreibend werden im steinhart gebackenen Boden 40 cm tiefe und breite Gräben ausgehoben, auf zusammengenommen rund 300 m Länge. Damit die Rohre aus biegbarem Hartplastik durch drückende Steine keine Lecks erhalten, wird das ausgehobene Erdreich gesiebt und nur der Sand zum Einbetten der Leitungen verwendet.

Knochenarbeit auf dem steinigen Gelände der ǂNabasib Primary School nahe BüllsPort: Die Schülerinnen und Schüler der ‚Weltweit mit Her(t)z‘-AG der Heinrich Hertz Schule aus Hamburg helfen auch beim Ausheben und Schließen des Grabens für die neue Wasserleitung. Beim Auffüllen um die Leitung wird das Erdreich gesiebt, damit sie nicht durch den Druck scharfer Steine beschädigt wird. Foto: ‚Weltweit mit Her(t)z‘-AG
Die Laptops und die Beamer stoßen bei Schulleiterin Hillary Cloete und ihren sieben Lehrkräften auf helle Begeisterung. Sie eröffnen ihnen völlig neue Möglichkeiten, ihren Unterricht vorzubereiten und zu führen.
Auch ein Team-Event, zu dem Celik und Brandt einladen, gibt den Lehrkräften von ǂNabasib neue Impulse. Sie nehmen sich vor, einige Aspekte aus dem team-orientierten Gespräch bei ihren künftigen Besprechungen zu berücksichtigen. Außerdem wünschen sie sich einen weiteren Erfahrungs-Austausch mit ihren Kolleginnen aus Hamburg.
Bei den Schülerinnen und Schülern ergibt sich der Austausch ganz von selbst. Die ǂNabasiber kommen nach dem Unterricht, um mitzuhelfen. Und später am Nachmittag, nach der Arbeit, wird miteinander gespielt und fotografiert. Über die zehn Tage bilden sich auf ungezwungene Weise Freundschaften, über den Altersunterschied hinweg.
Neue Ideen für den nächsten Besuch

Nach anstrengendem Tag: Fröhliches Miteinander von Schülerinnen und Schülern der Heinrich Hertz Schule aus Hamburg und der ǂNabasib Grundschule nahe BüllsPort. Foto: ‚Weltweit mit Her(t)z‘-AG
So fließen Tränen, als die Hamburgerinnen und Hamburger wieder in den Bus steigen. Gibt es ein Wiedersehen? „Selbstverständlich führen wir die AG weiter“, bekräftigen Yagmur Celik und Isa-Marie Brandt. Auch Leo Jaspersen ist mit neuen Ideen weiter dabei und wird den AG-Gründer Wolfgang Thiel auf dem Laufenden halten, falls er aufgrund seines Alters beim nächsten Mal nicht mehr mitreisen sollte.
„Den nächsten Besuch werden wir vielleicht etwas anders gestalten“, so Celik und Brandt. Aufgrund ihrer Erfahrungen und persönlichen Begegnungen vor Ort denken sie daran, das Projekt stärker auf ein Miteinander auf gleicher Augenhöhe auszurichten, mit Kreativ-Workshops und gemeinsamer Arbeit der Lehrkräfte und mit noch mehr gemeinsamer Zeit für Schülerinnen und Schüler.
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